„Bella Germania“ – von Wurzeln, Heimat und der Liebe

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Dass der gebürtige Münchner Daniel Speck Drehbücher schreiben kann, das wissen wir spätestens seit er 2007 den Grimme-Preis für sein Drehbuch zu „Meine verrückte türkische Hochzeit“ erhielt. Dass er sich aber auch literarisch auf durchaus sicherem Terrain bewegt, beweist er uns nun mit seinem Debüt-Roman „Bella Germania“ auf eindrucksvolle Art und Weise.

Ursprünglich als ZDF-Dreiteiler konzipiert, erzählt uns Speck hier eine deutsch-italienische Einwanderungsgeschichte über 3 Generationen hinweg.

Alles nimmt seinen Anfang im Jahre 2014 in Mailand auf einer Modenschau. Urplötzlich sieht sich die junge aufstrebende Münchner Modedesignerin Julia einem fremden Mann gegenüber, der behauptet ihr Großvater zu sein. Und nicht nur das, er behauptet auch, ihr längst tot geglaubter Vater würde noch leben. Sie beginnt nachzuforschen und findet sich plötzlich in einem Strudel von Ereignissen wieder, die alle ihren Ausgangspunkt 1954 nahmen, als der junge Vincent aus München über den Brenner nach Mailand fuhr, um dort nicht nur die Isetta für BMW zu finden, sondern auch die Liebe seines Lebens. Eine schicksalhafte Begegnung.

„Wenn wir einer großen Liebe begegnen, dann werden wir für einen kurzen Moment lang der Gefangenschaft durch Raum und Zeit enthoben. Wir begegnen nicht nur einem Menschen, sondern etwas, das durch ihn hindurchscheint, einer Ahnung, dass uns wider Erwarten das Glück zuteilwerden könnte, die ungebrochene Fülle unserer Kindheit wiederzufinden, als die Welt ein ewiger Sommer war.“ (S. 49)

Doch keine Angst, dieses Buch handelt nicht nur von der großen „Amore“, denn es ist angesiedelt vor dem Hintergrund der deutsch-italienischen Geschichte der letzten Jahrzehnte. Einer bewegten Geschichte, die ihren Ausgangspunkt nach dem Krieg nahm, zu Zeiten des deutschen Wirtschaftswunders, „il miracolo economico“, als Deutschland händeringend nach billigen ausländischen Arbeitskräften suchte. Als „Gastarbeiter“ bezeichnet, doch nur selten als Gäste behandelt, strömten die Italiener zu Tausenden über die Grenze nach Deutschland.

„Jeder trug seinen Koffer in der Hand, seine Träume in Kopf, Angst im Herzen und eine Medaille in der Tasche.“ (S. 150)

Damals wie heute kamen Fremde zu uns und damals wie heute begegneten die Deutschen ihnen mit großer Skepsis. Einer Skepsis, die auf Unwissen gründet(e) und mit Vorurteilen ausgefüllt wurde/wird. Und so trifft dieses Buch absolut den Nerv der Zeit.

Gekonnt bedient Daniel Speck dabei mit Ironie Klischees, um dann im nächsten Moment wieder einen eher nachdenklich stimmenden, traurigen Ton anzuschlagen und es auch nicht zu versäumen uns gnadenlos hier und da den Spiegel der eigenen Geschichte vorzuhalten. Dass hierdurch entstehende Spannungsfeld der Emotionen, die wundervoll charakterisierten Personen und nicht zuletzt die bildliche Sprache, sind es, die die knapp 600 Seiten von „Bella Germania“ nur so dahinfliegen lassen.

Mit „Bella Germania“ hält man nicht nur eine packend geschriebenen deutsch-italienische Familiengeschichte in Händen, sondern ganz, ganz viel deutsche Geschichte.

„Ein Mensch ist so lange ein Fremder, bis du seine Geschichte gehört hast.“ (S. 453)

©Fischer-Verlag

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„Bella Germania“ erschien im August 2016 bei FISCHER-Taschenbuch, Frankfurt am Main, zu einem (unverb.) Preis von 14,99 EUR. ISBN 978-3-596-29596-8. Das Buch wird voraussichtlich 2017 verfilmt.

 

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