Susann Rehleins Dorle versteht den Leser zu verzaubern

"Die erstaunliche Wirkung von Glück" von Susann Rehlein - ©Dumont-Buchverlag

„Die erstaunliche Wirkung von Glück“ von Susann Rehlein – ©Dumont-Buchverlag

„Für Dorle geht immer die Sonne unter.“

Mit diesem Satz beginnt Susann Rehleins erstaunliches kleines Büchlein, mit dem sie ihren Lesern ihr ganz persönliches Glücksrezept an die Hand gibt: „Atmen, Schreien, Sport, Tanzen, kurz: das Energielevel anheben, alle Gefühle (auch die vermeintlich miesen) wahrnehmen und ausdrücken. Nicht so viel wollen, stattdessen genießen, was ist (falls man das denn hinkriegt). Dazu noch Inspiration fürs Hirn, ein herzliches Gegenüber, und alles ist fein.“ (so die Autorin jüngst in einem Interview mit Susanne Kasper von www.literaturschock.de)

Nun, die Inspiration fürs Hirn hat sie uns ja mit diesem Roman schon einmal in die Hand gelegt, die anderen Zutaten müssen wir uns wohl oder übel alle selbst erarbeiten, so wie Dorle, die Hauptfigur von Susann Rehlein. Ein jeder muss sich selbst freikämpfen aus festgefahrenen Verhaltensmustern und selbstauferlegten Zwängen. Und von letzteren hat Dorle wahrlich genug: Berührungsängste, Helfersyndrom, Putzzwang, ein permanent schlechtes Gewisse gegenüber allem und jedem, um hier nur einige zu nennen.

Dorle ist 24 Jahre alt, man könnte sie als typische graue Maus beschreiben und lebt in einer 15 m² kleinen Souterrain-Wohnung in einem typischen, altehrwürdigen Berliner Mehrfamilienhaus. Sie liebt Cappuccino, ihre Ruhe und ihre Heimarbeit, das Auffädeln der Kristalle für prachtvolle Kronleuchter. Ihre größte Schwäche: Sie schafft es einfach nicht, zu ihren Mitmenschen auch einmal „nein“ zu sagen, sich zur Wehr und durchzusetzen. So wundert es auch nicht, dass sie sich nach und nach von den Hausbewohnern in die Rolle der (praktischerweise auch noch kostenlosen) Concierge zwängen zu lassen, nur weil sie in der ehemaligen Hausmeisterwohnung lebt. (Die Betonung liegt dabei wohlgemerkt auf „ehemaligen“.)

„Sie ist die Concierge der Leute, die am Leben teilnehmen.“ (S. 241)

…ihr eigenes scheint Dorle leider zu verschlafen. Ein Satz so traurig, wie wahr.

In diesen festgefahrenen Bahnen wäre Dorles Leben wohl auch weiterhin verlaufen, wenn sie nicht eines schönen Tages der lebenslustigen und weltgewandten Frau Sonne mit ihrer Haushälterin Henriette Schräubchen über den Weg gelaufen wäre. Diese setzt sich in den Kopf, Dorle aus ihrer misslichen Lebenslagen und ihrer engen, kleinen Welt zu befreien und sie hinauszuführen ans helle Licht des Tages, dort wo das Leben pulsiert. Doch Frau Sonne hat sich diese Aufgabe offenbar leichter vorgestellt, als sie tatsächlich ist und so steht schon bald nicht nur Dorles gesamtes Leben auf dem Kopf, sondern auch das der ganzen Hausgemeinschaft.

Mit viel Charme, Humor und hier und da einem kleinen Augenzwinkern erzählt uns Rehlein diese vom Grunde her tieftraurige Geschichte. Dabei verzaubert Dorle seine Leser ähnlich wie Camille aus „Zusammen ist man weniger allein“ von Anna Gavalda diese zu verzaubern wusste. Wie Camille ist wohl auch Dorle einer der traurigsten Menschen der Welt, doch in dieser Traurigkeit wächst sie dem Leser schnell ans Herz, weil eben nicht jeder Mensch stark geboren ist und manchen der Start ins Leben auch nicht einfach gemacht wird.

Eine Tür und sieben Stufen trennen Dorle von den anderen und von dem Rest der Welt – vom Leben, und als Leser will man ihr die ganze Zeit nur zurufen: „Steh auf, mach die Türe auf und lass die Welt herein…!“ Doch so einfach ist das eben manchmal nicht.

Ein Buch, das zeigt, wie wichtig es ist, sein Leben auch wirklich aktiv zu leben, jeden Tag aufs Neue mit einem Lächeln zu begrüßen (auch wenn es manchmal schwer fällt) und das Leben in vollen Zügen zu genießen. Geschrieben von einer Autorin, die es aufs Beste versteht, sich in ihre Figuren hineinzuversetzen und ihnen eine einzigartige Stimme verleiht und ihnen zum Beispiel so wundervolle Worte wie Frau Schräubchen auf S. 171 in den Mund legt:

„Wenn das Leben dir Limetten gibt, mach Gelee draus, aber vergiss nicht zu fragen, ob du das nächste Mal Brombeeren haben kannst oder ob das jetzt schon alles war.“

Ein Buch, innen so schön wie außen. Ach ja, und wer bisher noch nicht wusste, was ein Wolpertinger ist (absolut bayerisches Basiswissen), der wird es hier erfahren. „Das walte Hugo!“

DieerstaunlicheWirkungvonGlückInfos zum Buch:

Susann Rehlein-Die erstaunliche Wirkung von Glück

Dumont

Hardcover, gebunden,320 Seiten

Erschienen am: 13.10.2015

ISBN: 978-3-8321-9806-0

 

2 Gedanken zu „Susann Rehleins Dorle versteht den Leser zu verzaubern

  1. Liebe Heike
    Das Buch klingt wirklich interessant, ich denke ich werd mir mal die Leseprobe anaschauen und mich dann entscheiden. Das Cover finde ich sehr ansprechend. Ich bin sowieso eine Coverkäuferin 🙂
    Viele Grüsse
    Julia

    • Liebe Julia,
      ich freue mich, dass ich Dich mit meiner Rezension neugierig machen konnte und bin gespannt, wie Du Dich entscheidest. Das Cover ist wirklich wunderschön (ich lasse mich da auch immer wieder gerne verführen).
      Viele liebe Grüße, Heike

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