„Was ist das Schlimmste, das du jemals getan hast?“

diewahrheit

Es gibt da diese Bücher, die einen von der ersten Seite an fesseln, die man nicht mehr aus der Hand legen kann, bis man die letzte Seite erreicht hat, bis die ganze Geschichte vor einem liegt, bis man die Wahrheit kennt, die ganze Wahrheit.

Doch was ist die Wahrheit überhaupt? Die Übereinstimmung einer Aussage mit einer Sache, ein Spiegelbild der Wirklichkeit oder doch ganz subjektives Empfinden der eigenen Realität. Gibt es überhaupt die eine Wahrheit?

In Melanie Raabes neuem Psychothriller dreht sich alles um diese Wahrheit und eine jede ihrer Figuren hat ihre ganz eigene. Da ist Sarah (37), Mutter, Lehrerin, verheiratet. Vor sieben Jahren verschwand ihr Mann Philipp, auf einer Geschäftsreise, spurlos. Sieben Jahre des Wartens. Sieben Jahre das Leben in Dauerschleife. Ein bedingungsloses Festhalten an der Ordnung, die dem Tag, der so sinnlos erscheint, Struktur verleiht. Sieben Jahre die Pausen-Taste gedrückt halten. Sieben Jahre des Hoffens und Bangens, des absoluten Verlorenseins. Sieben Jahre des Alleinseins. Sieben Jahre, die Spuren hinterlassen haben, in Herz und Seele. Und gerade als Sarah beginnt die Hoffnung zu verlieren, beginnt ihr Leben neu zu ordnen, nach vorne zu blicken und nicht mehr zurück, ist da dieser Anruf.

Philipp lebt.

Er lebt.

Und er kommt nach Hause.

Doch wer ist dieser Mann, der da aus dem Flugzeug steigt? Wer ist der Fremde, der da ihr Haus betritt und scheinbar alles über sie weiß? Ist das wirklich Philipp? Oder nützt hier jemand geschickt die Situation aus? Wie kann sie diesen Mann wieder loswerden, von dem die ganze Welt glaubt es sei Philipp? Und mit was hat der Fremde Sarah in der Hand? Was verbirgt sie? Ein spannendes Katz-und-Maus-Spiel beginnt. Doch wer ist die Katze und wer die Maus und was ist am Ende „Die Wahrheit“?

Was mich von der ersten Seite an für dieses Buch so eingenommen hat, ist dieser ganz besondere Sprachrhythmus, diese Melodie, dem der Text folgt. So absolut passend für einen Thriller. Kurze, prägnante Sätze. Kapitel, die nur wenige Seiten umfassen und damit gezielte Atempausen setzen. Ja, es ist dieses irrsinnig gute Gespür für Sprache und den richtigen Moment, das mich so beeindruckt und den Text in Null-Komma-Nichts hat verschlingen lassen. Das besonders faszinierende daran: Wenn man einmal die Gelegenheit hat, ja, die Möglichkeit eine Lesung von Melanie Raabe zu besuchen (was ich persönlich nur empfehlen kann) dann wird man danach feststellen, dass man den Text ganz automatisch ebenso liest wie sie, ja gar nicht anders kann, weil da dieser Rhythmus ist und wenn man dann, nach der Lesung, das Buch zuhause wieder in die Hand nimmt, hört man ihre Stimme wieder, als würde die Autorin selbst einem das Buch ganz persönlich vorlesen.

Und dann sind da ihre Figuren. Melanie Raabe beschränkt sich auf nur wenig Personal und wenige Handlungsorte. Konzentriert sich mehr auf die einzelnen Personen und geht, wie mit einem Fokus, ganz nahe an sie heran und mit ihr der Leser. Es ist unglaublich, wie es ihr gelingt, Stimmungen einzufangen, die Gefühlslagen ihrer Figuren, spürbar, greifbar für den Leser zu machen. Ja man mag sie, diese Figuren, jede einzelne von ihnen, auch den Fremden. Der nach und nach im Buch und im Leben von Sarah immer mehr Raum einnimmt, immer präsenter wird. Wie bei einem Ping-Pong-Spiel wechseln die Sichtweisen. Mal erzählt sie, dann er und Stück für Stück, Seite für Seite zeigt sie sich, die Wahrheit.

„Die Wahrheit“ – ein spannender Thriller, eine verkappte Liebesgeschichte. Erschienen bei btb zum Preis von EUR 16,00 (D). ISBN 978-3-442-75492-2.

 

Über die Autorin:

258-1Melanie Raabe, freie Journalistin und Autorin, lebt und arbeitet in Köln. Ihr Thriller-Debüt „Die Falle“ war international eines der heißumkämpftesten Bücher der letzten Jahre. Bislang wurde der Roman in 21 Ländern verkauft. TriStar Pictures sicherte sich die Filmrechte. „Die Wahrheit“ ist ihr bislang zweiter Roman. Ein Dritter ist in Arbeit.

Auf ihrem Blog https://biographilia.com/ interviewt sie Menschen wie Du und ich. Ganz normale Menschen, Menschen von Nebenan und fördert spannende Geschichten und Lebenswege zu Tage. Der ganz normale Alltag und Geschichten, die das Leben so schreibt, können manchmal spannender sein als jede Starreportage. Eine wundervolle Seite, die es zu entdecken lohnt.

 

8 Gedanken zu „„Was ist das Schlimmste, das du jemals getan hast?“

  1. Zu diesem Buch habe ich nun schon einige Rezensionen gelesen. Begeisterte und nicht so begeisterte. Eigentlich hatte ich mich schon entschieden, auf Grund der weniger überzeugten Meinungen, dieses Buch nicht zu lesen. Deine Rezension ist so toll, dass ich diesen Entschluss wohl doch noch einmal überdenke.

    • Hallo Nicole,

      das Buch ist wirklich klasse. Mal nicht diese Thriller-Einheitskost (obwohl ich auch diese zwischendrin, wenn gut gemacht, durchaus gerne lese) sondern etwas ganz anderes. Da der Fokus hier auf nur wenigen handelnden Personen liegt, erlebt man diese und ihr Denken und Tun umso intensiver. Hinzu kommt ein absolut genialer Plot, der zugegeben so nicht ganz neu ist, aber es ist Melanie Raabes Herangehensweise, die zumindest mich, absolut fasziniert hat und nicht zuletzt die Sprache, da gibt es diese wundervollen Sätze, die einem einfach im Gedächtnis bleiben.
      Und wenn Dir „Die Wahrheit“ gefällt: „Die Falle“, das erste Buch von der Autorin, ist auch absolut empfehlenswert.

      Ganz liebe Grüße,
      Heike 😉

  2. Ich gehöre zu den Menschen, die von dem Buch nicht ganz rundherum begeistert waren. Ich fand, mit der Art zu erzählen und Infos dem Leser mitzugeben oder eben auch nicht, hat die Autorin ein bisschen „getrickst“ und die Auflösung war nicht so nahtlos und zwangsläufig, wie ich sie gerne gehabt hätte.
    Mir hat „Die Falle“ um einiges besser gefallen.
    Aber Melanie Raabe versteht es wirklich, mit der Sprache zu spielen und da mir das bei beiden Büchern extrem gut gefallen hat, werde ich ganz sicher auch weiter nach ihren Büchern greifen.

    LG Gabi

    • Hallo Gabi,

      schade, dass Dich das Buch nicht zu 100% überzeugen konnte. Ich muss gestehen, mir haben Melanies „Tricksereien“ ganz gut gefallen, aber ich verstehe was Du meinst und ja das muss man mögen.
      Mal gespannt um was es in ihrem nächsten Buch geht, über das Melanie Raabe bisher nur so viel verraten hat, dass es in Wien spielen und wieder gewohnt spannend wird. Ich freue mich schon wieder auf ein sprachliches Feuerwerk.

      Ganz liebe Grüße und eine wunderschöne Adventszeit!
      Heike

  3. Moin Heike,

    mit „Die Wahrheit“ liebäugele ich auch schon eine ganze Weile und halte mich eigentlich bewusst von den Rezensionen fern. Leider konnte mich „Die Falle“ nur bedingt unterhalten und begeistern, ich hatte zwischendurch das Gefühl, dass die Geschichte künstlich unbedingt noch um ein paar Seiten erweitert werden muss. Allerdings höre ich so viel Gutes über die Autorin selbst, dass es mir schwer fällt, eine echte Entscheidung zu treffen.

    Vielleicht im nächsten Jahr oder so, wenn die Taschenbuchausgabe erscheint. Vorher habe ich ohnehin keine Zeit für Bücher außer der Reihe 😀

    Liebe Grüße und einen entspannten zweiten Advent,
    Jess

    • Hallo Jess,
      ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob „Die Wahrheit“ Dir gefallen wird, wenn Dich „Die Falle“ bereits nur bedingt begeistern konnte. Melanie Raabe bleibt auch in ihrem zweiten Buch ihrem Schreibstil treu. Was mich persönlich sehr freut, da mir ihr Stil, ganz unabhängig von der Person der Autorin, sehr gefällt und zusagt. Ja, Mel Raabe ist wirklich eine unglaublich nette und faszinierende Person und ich habe mich sehr darüber gefreut, dass ich die Möglichkeit hatte sie persönlich zu erleben und kennenzulernen, aber wenn Dir ihr Schreibstil nicht so ganz zusagt, bringt es ja auch nichts, wenn Du viel Gutes über die Autorin selbst hörst. Das wichtigste beim Lesen an sich ist ja nun einmal der eigenen Geschmack und dass einem das Buch an sich gefällt.

      Ich habe mich gerade einmal auf Deiner Seite umgesehen und geschaut, was Du so insgesamt gerne liest und was Dir gefällt. Vielleicht wäre eher der neue Fitzek „Das Paket“ etwas für Dich oder „Am Ende aller Zeiten“ von Adrian J. Walker, da ich gesehen habe, dass Du gerade den neuen TOR Verlag erkundest.

      Ganz liebe Grüße,
      Heike

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