Wer träumt in jungen Jahren nicht von der großen weiten Welt und tut dies vielleicht noch immer. Diese Sehnsucht einmal aus dem gewohnten Alltag auszubrechen, Eltern, Freunde, alles hinter sich zulassen, sich selbst neue zu entdecken, vielleicht auch zu finden und erfinden, einfach laut rufen: „Hallo Welt hier bin ich!“
Joachim Meyerhoff hat dies getan. Mitte der Achtzigerjahre macht er sich auf nach Hamburg um einen der raren Plätze in einem amerikanischen Austauschprogramm zu bekommen. Und auch wenn das Auswahlgespräch nicht gerade planmäßig verläuft erhält er eine Zusage. Und so verschlägt es ihn mit gerade einmal 18 Jahren nach Laramie/Wyoming, mitten hinein in den amerikanischen Westen. In die Raue Welt rund um die Rocky Mountains, wo sich der Blick in der Weite der Prärie verliert, weit weg von der nächsten amerikanischen Metropole, dorthin, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen oder wenn man so will Bär und Stinktier. Raus aus der norddeutschen Provinz und rein in die amerikanische Pampa. Der Kulturschock bleibt nicht aus. Doch auch wenn Joachim am Anfang noch von der amerikanischen Großstadt träumt und ihn manch typisch amerikanische Eigenheit befremdet, gefällt es ihm in Laramie zunehmend immer besser. Gerade als er sich so richtig akklimatisiert zu haben scheint zwingt ihn ein Schicksalsschlag zur Rückkehr nach Deutschland.
Ursprünglich als Bühnenstück konzipiert, versteht es dieser Entwicklungsroman den Leser mitzureißen. Wir lachen, leiden, lieben und trauern mit unserem jugendlichen Helden. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir uns alle ein Stück weit in ihm wiederfinden, die Sehnsucht der jungen Jahre von der großen weiten Welt, die Abenteuerlust, der Traum vom Auslandsjahr, vom Ausbruch aus der behüteten Wärme des Elternhauses. Vielleicht ist es auch die Authentizität dieses Buches, die seine Faszination ausmacht. So handelt es sich bei „Alle Toten fliege hoch“ um keine Autorbiographie, dennoch sind es die persönlichen Lebenserfahrungen des Autors, die in dieses Buch miteinfließen. Mit viel Witz und Selbstironie lässt uns Meyerhoff an seinem Leben teilhaben und spart auch nicht die traurigen Momente aus. Und so begegnen wir im Buch auch dem Tod, der zu jedem Leben unweigerlich dazugehört. In manchem früher in manchem später. In Joachim Meyerhoffs Leben ist diese Begegnung jedoch besonders heftig und so finde ich auch den Titel zum Buch besonders gut gewählt, der aus einem Walter Benjamin Zitat entlehnt ist:
„Wir möchten wohl gerne zurück, doch wie der Engel mit dem Schwer vor dem Paradies hindert uns die vergehende Zeit an einer Heimkehr. Weil wir aber zurückkehren und die Toten wieder zum Leben erwecken wollen, erzählen wir uns unser Leben. Um den Verlust zu ertragen und unsere Schmerzen zu heilen. Solange wir von ihnen noch erzählen können, sind unsere Toten noch nicht ganz tot. Sie fliegen. Manchmal fliegen sie hoch.“ Walter Benjamin
…und wer so wie ich nach dieser 321 Seite langen Reise am liebsten „da capo“ rufen würde dem seien auch die Folgebände empfohlen: