Commissario Brunetti feiert sein 25–jähriges Dienstjubiläum. Anlass genug für mich, ihm und seiner Schöpferin einen Artikel zu widmen.
Seit 1993 dürfen wir in Deutschland den sympathischen Commissario Guido Brunetti, mit seiner Vorliebe für die alten Griechen, den kleinen Schwarzen (ohne den in Italien nichts geht), gutes Essen und guten Wein, auf seiner Verbrecherjagd quer durch Venedig begleiten. Immer an seiner Seite, seine liebenswerte Familie, so manch nett-skurriler Kolleg, nicht zu vergessen sein Chef Vice-Questore Patta, mit dem ihn eine Art Hass-Liebe verbindet und natürlich die ebenso eloquente wie reizende Signorina Elettra, ohne die in der Questura von Venedig so überhaupt nichts zu laufen scheint. Eine feste Verabredung jedes Jahr aufs Neue. Auf Donna Leon ist eben verlass. Dieses Jahr sogar in doppelter Hinsicht, da die deutsche Veröffentlichung über die ganzen Jahre hinweg immer mit einem Jahr Verzögerung erschien. Damit der Commissario aber auch in Deutschland pünktlich sein Dienstjubiläum begehen kann, sind heuer einfach 2 Romane in Folge erschienen. Doppelte Freude sozusagen für alle Fans der Serie.
Und ja, ich bekenne mich. Ich zähle dazu. Ja, ich liebe diese ruhigen, unaufgeregten und gewaltfreien Krimis, die selbst Dennis Scheck nicht mehr in die Tonne klopft, mich jedes Jahr aufs Neue in Urlaubslaune versetzen und die bei mir mit steter Regelmäßigkeit den literarischen Sommer einläuten. Eine liebgewonnene Tradition, die ich von meiner Mutter, wenn man so will, „geerbt“ habe. Und so fiebern wir beide jedes Jahr aufs Neue dem Erscheinungsdatum unseres „Lieblingsitalieners“ entgegen.
Ja, Donna Leon verzichtet in ihren Krimis bewusst auf Gewalt, ebenso wie auf Action und knisternde Spannung, wie ihre Kritiker immer anmerken (und derer gibt es nicht wenige). Ihr geht es primär um die Aufklärung, den Weg, der zu ihr führt und die Darstellung der Zusammenhänge. Ein Erfolgsrezept, dem sie über die Jahre hinweg immer treu blieb: Man nehme als Hauptzutat ein aktuelles Thema, das die Menschen bewegt (Menschenhandel, Prostitution, Fremdenhass, Kindesmissbrauch, Umweltskandal, Diebstahl von Kulturgütern, Korruption, Vetternwirtschaft, Vergewaltigung, das (in Italien) allgegenwärtige organisierte Verbrechen…), lasse das Ganze von einem netten, gebildeten Kommissar, der zudem noch Oberhaupt einer intakten, harmonischen, typisch italienischen Familie ist, zubereiten, würze es mit einer Prise venezianischem Lokalkolorit und anschließend sanft vor herrlicher Kulisse vor sich hin köcheln.
Diese Mischung – mit der Leon immer wieder den Finger in die Wunde legt und gleichzeitig reichlich Italien-Klischees und Vorurteile zwischen „Dolce Vita“ und Nord-Süd-Animositäten vereint – ist besonders im deutschsprachigen Raum Kult geworden.
Nicht selten sieht man in Venedig Touristen mit einem Spezialstadtplan auf den Spuren Brunettis wandeln, wer will kann bei einem Brettspiel auf Verbrecherjagd gehen oder dank einer Rezeptsammlung die legendären Dreigang-Menüs von Brunettis Frau Paola nachkochen. Zudem werden alle Fälle, mit viel Erfolg, so nach und nach, fürs deutsche Fernsehen verfilmt.
Und Brunettis Kampf gegen das Böse in der Welt vor traumhafter Kulisse geht weiter, so gestand die Autorin erst kürzlich in einem Interview mit der WELT: „Da schicke ich Brunetti in die Lagune auf eine abgelegene Insel. Manchmal hat er – genau wie ich – genug von dieser überfüllten Stadt. Da laufen die Touristen herum wie Lemminge und suchen das Klischee Venedig. Warum macht überhaupt noch jemand Fotos davon? Man sieht doch nichts mehr. Also sucht Brunetti Ruhe und Meditation ein paar Hundert Meter außerhalb, wo Ebbe und Flut die Laguneninseln fast noch so prägen wie im Mittelalter.“
Die Ideen scheinen der lebensfrohen Amerikanerin mit der großen Leidenschaft für Georg Friedrich Händel und der Barockmusik ja noch lange nicht auszugehen. Und so blicke ich schon jetzt voller Vorfreude in Richtung des 26.Falls. Ein Vergnügen, das den Italienern selbst nicht vergönnt ist, erscheinen zwar Leons Romane bereits in ca. 30 Sprachen, doch eine fehlt: ITALIENISCH.
Und das ist auch gut so, laut der Autorin, möchte sie doch weiterhin unbehelligt durch die Straßen ihrer jahrelangen Wahlheimatstadt Venedig wandeln können.
Und für alle die bereits auf den Geschmack gekommen sind bzw. gerade kommen, hier ein Überblick über die letzten 3 erschienenen Bänder der Reihe, als kleines „Antipasti“ wenn man so will:
Tod zwischen den Zeilen
Im nunmehr 23.Fall dreht sich alles um rätselhafte Bücherdiebstähle in der fiktiven Biblioteca Merula. Dieses Mal entführt uns die Altmeisterin des Slow-Foods unter den Krimis in die Welt der antiquarischen Bücher, wertvollen Folianten und ihrer Liebhaber. Eine Welt der Jäger und Sammler, die aber ihren ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten zu folgen scheint, die selbst einen Brunetti, als passionierten Leser alter Meister vor Rätsel stellt und in der man auch vor Mord nicht zurückzuschrecken scheint. Ein Fall wie gemacht für alle Freunde des geschriebenen Wortes.
Endlich mein
In seinem 24.Fall begegnet Brunetti einer alten Bekannten wieder: Flavia Petrelli ist zurück! Eingefleischten Brunetti-Fans bereits bekannt aus Brunettis allererstem Fall „Venezianisches Finale“. Doch wie bereits damals benötigt die weltberühmte Sopranistin abermals seine Hilfe. Ein scheinbar verrückter Fan versetzt die Sängerin in Angst und Schrecken. Wenn Verehrung krankhaft wird, dann ist das gesamte Können unseres Commissario gefordert.
Ein Fall, der dem Leser einen tiefen und nie dagewesenen Einblick hinter die Kulissen der „Oper la Fenice“ gewährt, einem der schönsten und geschichtsträchtigsten Opernhäuser der Welt. Ein rundum gelungener Krimi nicht nur für Liebhaber dieses Genres, sondern auch für wahre Opernfans.
Ewige Jugend
Commissario Brunetti wird 25. Natürlich nicht der Commissario selbst, dieser dürfte mittlerweile um die 56 Jahre alt sein, nein, unser Commissario darf sein 25-jähriges Dienstjubiläum begehen und mit ihm seine Leser.
In seinem 25.Fall geht es um ein in Vergessenheit geratenes Verbrechen und um ein Mädchen, das in seiner Vergangenheit gefangen zu sein scheint, wie eine „Fliege im Bernstein“, eingesperrt und zu ewiger Jugend verdammt.
Auf Krimi-Couch.de findet man einen kleinen Gesamtüberblick der Reihe mit all ihren bisher erschienenen Bänden und mit Brunetti virtuell durch sein Venedig wandeln kann man hier.
Sehr interessant und lesenswert ist auch der Bericht von Tommi und die Schmöker anlässlich des Besuches von Donna Leon in der Diakonie-Buchhandlung in Düsseldorf-Kaiserswerth.
Hallo Heike,
danke für den tollen Artikel, ich erlaube mir den mal bei meinem Lesungsbericht zu Donna Leon zu verlinken 😉
Ich muss jetzt auch ganz dringend mal wieder einen Brunetti-Krimi lesen, bin nämlich erst bei Band 19. Bei uns ist es auch so, dass diese Bücher (fast) von der ganzen Familie gelesen werden.
Liebe Grüße
Thomas
Hallo Thomas,
aber sehr gerne doch, ich war so frei und haben Deinen Lesungsbericht auch gleich unter meinem Artikel verlinkt.
Ganz liebe Grüße,
Heike
Pingback: Lesung mit Donna Leon - Ein Bericht - Tommi und die Schmöker
Ach, Brunetti – ich liebe ihn doch auch! Habe aber noch nie darüber geschrieben. Einerseits kennt ihn (fast) jeder, andererseits will ich ihn nur für mich lesen.
Liebe Grüsse, Anya
Hallo Anya,
das kann ich voll und ganz verstehen. Ich genieße auch jedes neue Buch von Donna Leon, am liebsten im Garten, auf der Terrasse, bei einem schönen Glas Wein und Sonnenschein. Und die Filme erst, da bringe ich mich am liebsten zunächst mit schönem italienischen Essen in Stimmung und genieße dann den Film als Dessert zu Wein und Grappa. 😉
Ganz liebe Grüße,
Heike