Ich finde es hat immer etwas Faszinierendes an sich, wenn sich ein Buch mit einem realen Stoff beschäftigt. Wenn die Geschichte hinter der Fiktion wahr ist. Und so verhält es sich auch mit dem Roman von Torsten Seifert, indem er uns zurückversetzt in das Jahr 1947 und seinen Helden Leon Borenstein, einen der vielversprechendsten neuen Sterne am Himmel der Skandalreporter Los Angeles, auf die Jagd nach einem Phantom schickt.
Die Geschichte hinter der Geschichte
Wir schreiben das Jahr 2016, als Torsten Seifert zum ersten Mal sein Buch mit dem Titel „Der Schatten des Unsichtbaren“ bei Twentysix im Self-Publishing veröffentlicht. Weitestgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit. Ein Schicksal, das dieses Buch leider mit vielen anderen teilt. Mehr durch Zufall erfährt er am Ende desselben Jahres vom gerade neu ins Leben gerufenen Blogbusterpreis und reicht sein Buch ein. Es gelingt ihm Tilman Winterling vom Blog 54books von seinem Manuskript zu überzeugen. Aus mehr als 252 Büchern wird er schließlich ausgewählt und landet zunächst auf der Longlist. Was sich liest wie ein Märchen hat auch ein Happy End. Am Ende setzt sich Torsten Seifert mit seinem Buch durch und gewinnt den Blogbusterpreis 2017 und damit einen Verlagsvertrag bei Tropen/Klett-Cotta, bei welchem das Buch noch 2017 unter dem Titel „Wer ist B.Traven?“ erschien.
Ein weiterer Beweis dafür, dass man niemals aufgeben sollte. Manchmal dauern gute Sachen eben etwas länger und dieses Buch ist gut. Mit „Wer ist B.Traven“ versetzt uns Seifert in eine längst vergangene Zeit. Eine Zeit, in der Männer noch Hut, Smoking und Zigarette trugen, die Lokale noch verraucht waren, Journalisten ihre Notizen mit dem guten alten Bleistift festhielten und ihre Berichte auf einer Remington tippten, in der Hollywood Filmgeschichte noch in Schwarz-Weiß auf Zelluloid schrieb, in der einfach noch ein anderes Lebensgefühl herrschte oder wie Humphrey Bogart es auszudrücken pflegte:
„Man muss dem Leben immer um mindestens einen Whisky voraus sein.“
Eine Zeit der großen Diven, legendären Leinwandhelden, unvergesslichen Detektivfiguren, Abenteurern, Einzelkämpfern und ihren literarischen Schöpfern – Männern wie Ernest Hemingway, Chandler, Hammett, aber auch B.Traven.
B.Traven, wer war das noch einmal?
Ein Autor, der in den vergangenen Jahren völlig zu unrecht nahezu in Vergessenheit geraten ist, verdanken wir ihm doch insgesamt 12 Romane, einen Reisebericht und viele kleinere Erzählungen. Darunter „Das Totenschiff“, der „Caoba-Zyklus“ und den 1947 mit Humphrey Bogart und Walter Huston in den Hauptrollen verfilmten „Der Schatz der Sierra Madre“. Was viele nicht wissen, B.Traven zählte in der Nachkriegszeit zu einem der erfolgreichsten deutschen Autoren. Seine Werke wurden in 24 Sprachen übersetzt und erreichten eine geschätzte Gesamtauflage von 30 Millionen. Zeit seines Lebens umgab den Autor ein großes Rätsel, denn bei seinem Namen handelt es sich um ein Pseudonym. Über seine wahre Identität wurde viel spekuliert, doch schlussendlich nahm er sein Geheimnis mit ins Grab und so gibt es bis heute zwar eine hinlängliche Vermutung, aber keine abschließende Gewissheit.
Die Jagd nach einem Phantom
In „Wer ist B.Traven?“ schickt Torsten Seifert den jungen und erfolgreichen Skandalreporter Leon Borenstein auf die Jagd nach diesem Phantom. Im Auftrag seiner Zeitung soll er aufklären, wer sich hinter dem Pseudonym B. Traven verbirgt und das Rätsel ein für alle Mal lösen. Leon Borenstein scheint dafür genau der richtige Mann zu sein. Ein Journalist, der mit allen Wasser gewaschen ist, immer der erste vor Ort. Ein Mann, mit dem richtigen Riecher für gute Quellen und Skandale, der sich auch nicht zu Schade hier und da einmal die Pfade Legalität zu verlassen.
Und so findet sich Leon schnell in der Einöde Mexikos wieder, genauer gesagt in San José Purua, wo das Team rund um den Regisseur John Huston gerade „Der Schatz der Sierra Madre“, nach einem Buch von B. Traven, verfilmt. Dort trifft er auf Persönlichkeiten wie Humphrey Bogart und Walter Huston, doch von B. Traven fehlt jede Spur. Und schon bald nach seiner Ankunft muss Leon erkennen, dass man dem großen Autor nicht so schnell auf die Spur kommt, es einen Fluch zu geben scheint, der auf jedem lastet, der sich auf die Suche nach B.Traven begibt und er nicht der einzige ist, der dem Geheimnis auf die Schliche kommen will….
Eine spannende Jagd die von Los Angeles über Mexiko bis nach Wien und wieder zurück nach Mexiko führt. Wird er am Ende das Geheimnis lüften?
Wie wichtig ist es eigentlich den Mensch hinter dem Werk zu kennen?
Eine Frage, die sich einem förmlich aufdrängt, wenn man sich mit der Person des Autors B.Traven beschäftigt. Ist es für den Leser wirklich so immanent wichtig, dass er den Menschen hinter dem Buch kennt? Haben talentierte Menschen, wie B. Traven oder die in jüngster Zeit die Bestsellerautorin Elena Ferrante, nicht das Recht selbst zu entscheiden wieviel sie von sich preisgeben wollen und wieviel nicht? Obliegt es letztendlich nicht der ganz eigenen und persönlichen Wahl, ob man sich tatsächlich dem ganzen Trubel der Öffentlichkeit ausliefern möchte oder lieber sein Talent im Heimlichen, Verborgenen, in der Zurückgezogenheit der Anonymität ausleben will?
Und so lesen wir denn auch im Buch:
„Ich habe oft darüber nachgedacht, warum er so ein Geheimnis um sich macht. Will er interessant bleiben? Ist es seine Vergangenheit, von der keiner wissen darf? Hat er ein Verbrechen begangen, das ihn einholen könnte? Traven selbst schreib einmal, dass nur das Werk zählen sollte und nicht der Autor. Hat er damit nicht recht? Es mag sein, dass das Leben bekannter Persönlichkeiten nach ihrem Tod der Geschichte gehört, aber was ist mit der Zeit davor? Ist es der Preis, den Berühmtheiten zahlen müssen, dass wir nicht ruhen, bevor wir alle Details aus ihrem Leben kennen? Was passiert danach? Was geschieht, wenn wir um sein Geheimnis wissen? Kann er dem Vergleich mit seinem eigenen Mythos überhaupt standhalten? Wird er verstummen?“ (S. 109 f.)
Worte mit denen Torsten Seifert durchaus zum Nachdenken anregt. Jeder Autor sollte doch das Recht haben diese Frage für sich ganz persönlich zu beantworten und der Leser sollte diese Antwort respektieren.
Einfache Prosa, pointierte Dialoge und ein untrügliches Gespür für die richtige Mischung
Genau dies zeichnet Torsten Seiferts Erzählstil aus. Ein Stil, der die Herzen der Fans von Kriminalautoren wie Raymond Chandler und Dashiell Hammett höher schlagen lassen dürfte. Man meint schon beinahe Bogarts Stimme selbst zu hören, absolut getroffen, sein beißender Zynismus, sein spröder Charme. Ja, man spürt förmlich die trockene Hitze Mexikos auf der eigenen Haut, hört das vermeintliche Geklapper der Schreibmaschine, schmeckt das rauchige Aroma des Whiskeys auf der Zunge.
Ein vielversprechender Einstieg eines Autoren, von dem ich mir in den nächsten Jahren noch viel, viel mehr erhoffe. Nicht nur spannend zu lesen, sondern ein Roman, der zugleich auch das Interesse an den Büchern und Romanverfilmungen von B.Traven von neuem erweckt – eine literarische Frischzellenkur für Travens Werk sozusagen.
Hallo Heike, ein Vorteil von Blogger-Rezensionen ist, dass man ganz einfach und persönlich „Dankeschön“ sagen kann. Schöner Text! Ich stelle gerade ein bisschen was für die Pressestimmen bei Amazon zusammen, da werde ich mir hier sicher was rauspicken. Was deinen letzten Absatz angeht: das hoffe ich natürlich auch. Die neuen Stoffe (ja, Mehrzahl) bestimmen zunehmend meinen Tagesablauf. Das ist eigentlich ein gutes Zeichen. Aber der Weg ist halt noch lang.
Dir eine schöne Weihnachtszeit. Und spätestens bis zum nächsten Buch.
Viele Grüße! Torsten Seifert